Ästhetische Komplexe
Josef Dabernig, Rita McBride, Manfred Pernice, Gerold Tagwerker, Silke Schatz
5. Oktober bis 2. November 2008
Eine Ausstellung anlässlich des 175-jährigen Bestehens des Kunstvereins Augsburg in der Toskanischen Säulenhalle des Zeughauses.
Alljährlich ist der Kunstverein Augsburg mit einer Sonderschau in der Toskanischen Säulenhalle des Augsburger Zeughauses zu Gast. In diesem Jahr wird dieser Ortswechsel zu einem besonderen Ereignis: Der Kunstverein feiert sein 175-jähriges Jubiläum und präsentiert damit eine nach vorne weisende Ausstellung, die zugleich die starke Verankerung des Kunstvereins in seinem urbanen Umfeld reflektiert. Gegründet im Jahr 1833 und seitdem mit nur einer Unterbrechung (1944 -1963) als Impulsgeber für die Betrachtung und Pflege zeitgenössischer Kunst in Augsburg aktiv, führt der Kunstverein mit seiner Jubiläumsausstellung auf die Auseinandersetzung mit architektonischen Botschaften und mit der Stadt als gelebtem, bestimmendem und auch als gemeinsam verantworteten Raum hin.
Hatten die Bildhauerausstellungen des Kunstvereins der letzten Jahrzehnte jeweils einen Querschnitt in Deutschland vorzufindender Skulptur präsentiert, wird diese Ausstellung in Prozess und Konzeption neue Akzente setzen: Die fünf international ausstellenden Künstlerinnen und Künstler wurden vom Kunstverein Augsburg und dem Kurator der Ausstellung, Axel Jablonski, ausgewählt, sich an der Skulpturen-Ausstellung unter dem Titel "Ästhetische Komplexe" zu beteiligen: Die US-Amerikanerin Rita McBride, die in Düsseldorf lebt und arbeitet, Silke Schatz aus Köln, Josef Dabernig und Gerold Tagwerker aus Wien sowie Manfred Pernice aus Berlin. Alle fünf Künstler setzen sich in ihrem bisherigen Schaffen intensiv mit architektonischen Formen und Erscheinungen auseinander. Sie unterziehen deren Botschaften und Wirkungen einer durchdringenden Analyse, lösen sie vom Kontext und in einzelne Sinn-Fragmente, und beleben sie - jeder in seinen individuellen künstlerischen Sprache und Ausdrucksform - in einem neuen Wahrnehmungszusammenhang.
Stadt und Ausstellungsort als Ausgangspunkt und räumliche Basis
Für die Ausstellung "Ästhetische Komplexe" waren sie eingeladen, sich zunächst ein umfassendes Bild der Architektur von Augsburg zu machen. Sie sollten die Stadt von außen, als Gäste, betrachten, um dann "im Spiel mit festen Architekturen wie Gebäuden, mit den weichen Eindrücken der Sinne, mit der Leichtigkeit des Verstandes und der Schwere mancher entstehender Zusammenhänge ein Gesamtwerk im Zusammenklang ihrer Einzelbeiträge entstehen lassen" (Axel Jablonski). Gedanklicher Ausgangspunkt für die Ausstellung ist damit die Architektur Augsburgs als Spiegel geschichtlicher und gesellschaftlicher Veränderung und als sichtbare Quelle eines kulturellen Gedächtnisses für einen sozialen Erfahrungsraum. Die toskanische Säulenhalle im Augsburger Zeughaus bildet die räumliche Basis und wurde zum integrativen, sprechenden Teil der Ausstellung. Das Zeughaus, ursprünglich das Waffenarsenal der Stadt, wurde von einem Meister der Renaissance, dem Stadtbaumeister Elias Holl, nach antikischem Ideal errichtet und im Jahr 1607 fertig gestellt. Die Architektur adaptiert an eine regional geprägte Formensprache. So stellt diese historische Stätte den Schnittpunkt architektonischer Idealität und sozialer Realität mit ihren Bedürfnissen und Nöten dar: Repräsentations- und Herrschaftsarchitektur zum einen, öffentlicher Raum und pragmatische Nutzung zum anderen - als Waffenkammer, später als Feuerwehrhaus und in ihrer jüngsten Funktion als Ausstellungsraum.
Interaktion der Ideale
Die Renaissance, als geistiger und gesellschaftlicher Lösungsvorschlag und Katalysator für Humanismus und Individualität ist der historisch-räumliche Hintergrund der Ausstellung. Der persönliche Hintergrund der Künstlerinnen und Künstler - wie auch der der Ausstellungsbesucher - ist dagegen geprägt von den Idealen der Moderne in ihrer Wechselbeziehung, die in Gleichheit und Demokratie gefasst wurden und in Raster, Modul und Transparenz ihren Ausdruck finden. In der Jubiläumsschau treten Formen und Gedankenwelt als "Ästhetische Komplexe" in Interaktion: Zwei idealistische Vorstellungswelten und die Realität werden durch ihre gleichzeitige Anwesenheit in einem Raum erfahrbar. Zur Vorbereitung der Skulpturen-Ausstellung in der Toskanischen Säulenhalle kamen die Künstlerinnen und Künstler mehrfach nach Augsburg. Bei ihren Besuchen entdeckten sie die Stadt, zunächst touristisch geführt, dann immer spezifischer, gemäß ihren Interessenlagen und von Fachleuten bei der Recherche unterstützt. In ihren Streifzügen beschäftigten sich die Teilnehmer der Ausstellung nicht nur mit den markanten Bauwerken von Elias Holl. Sie bezogen auch die formensprachlich historisierenden Eskapaden des 19. Jahrhunderts, die Zwischenkriegszeit der 20er Jahre mit Verwaltungs-, Industrie- und Siedlungsbauten und die Architektur der Wiederaufbaujahre nach dem zweiten Weltkrieg in ihre Erkundungen ein, insbesondere repräsentiert durch die prägnanten Entwürfe der Architekten Walther Schmidt und Thomas Wechs.
Skulptur als Widerhall urbaner Resonanzen
Die architektonischen Formen Augsburgs in ihrer modernen Ausprägung wurden von den Künstlerinnen und Künstlern schließlich als Resonanzkörper ergründet. Ziel der künstlerischen Auseinandersetzung war, den Widerhall eines einzigartigen urbanen Lebensraums spürbar zu machen und in ihren Skulpturen der konkreten Stadt eine sinnliche Raum-Erfahrung entgegen zu setzen. "Ästhetische Komplexe" greift Konzepte gebauter Umwelt auf und überbrückt im künstlerischen Schaffen die Distanz zwischen privatem Blick und Öffentlichkeit. Die Ausstellung erfasst innere, mentale Räumen und zeigt sie in ihrem Verhältnis zum Außenraum. Dabei spüren die Künstler Stereotypen und Gleichförmigkeiten in unserer Umwelt nach und stellen sie lustvoll, spielerisch und auch humorvoll Räumen menschlicher Potentialität, als Energiequelle und als erlebbare Vision gegenüber.
Katalog zur Ausstellung
Die Ausstellung wird in einem Katalog dokumentiert werden, der auch Aspekte der Baugeschichte Augsburgs in Bezug auf die Ausstellung thematisiert. Diese Publikation des Kunstvereins Augsburg wird festhalten, wie zeitgenössische Kunst - in diesem Fall Skulpturen - Zeit und Raum spezifisch anders sichtbar und erlebbar machen können.
Kurator der Ausstellung: Axel Jablonski
Projektleitung: Christian Thöner